Nachfolgender Text ist im Rahmen einer Blogaktion entstanden, die leider seitens der betreuenden PR-Agentur nie realisiert worden ist, aber mein Ansatz zum Thema war einfach zu gut, als dass ich den Text einfach in der digitalen Schublade hätte versauern lassen können. Ich hoffe euch sagt er ebenso zu und ich wünsche viel Freude bei der Lektüre. Wie stellt ihr euch ein Leben ohne Internet vor, fernab meiner Horrorvision natürlich? Oder welche schrecklichen Bilder haben euch gefehlt? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!


Da wurden wir Blogger mal wieder beauftragt, uns Gedanken zu machen. Ja, Gedanken, mit uns kann man es ja machen, nicht wahr!? Und zwar darüber, wie ein Leben ohne Internet wäre. Alternativ riet man uns zum Selbstversuch, um dann über unsere Erfahrungen berichten zu können. Wahnsinn, dachte ich. Und ich meine nicht den Wahnsinn im positiven Sinne von wie toll ist das denn, nein, Wahnsinn, wie man das einem Blogger überhaupt vorschlagen kann. Kopfschüttelnd wandte ich mich ab, das schien keine Aktion für mich zu sein. Ja ich war sogar so verängstigt, dass ich mich direkt ins Bett verkroch, mein Smartphone fest ans Herz gepresst und ehe ich mich versah, war ich im romantischen Schein meines bläulich schimmernden Monitors weggesackt.

Doch dann: Ich erwachte und spürte, dass etwas anders war. Es fing damit an, dass ich mein Smartphone nicht finden konnte, dann ging mir auf, dass mein Laptop verschwunden schien. Einbrecher, schoss es mir durch den Kopf. Doch das war es nicht. War etwa der Alptraum Realität geworden und das Internet war weg? Verwirrt stand ich auf. Im Flur fiel mir zunächst auf, dass ein ganzer Wust kleiner Zettel unter meiner Türe durchgeschoben worden war. Darauf befanden sich überwiegend Nachrichten meiner Freundin wie etwa Du fehlst mir, fehle ich dir auch?, gefolgt von Wann treffen wir uns? und Wie ist dein Tag? und weiter mit Du antwortest ja gar nicht 🙁 bis hin zu Bist du sauer auf mich? Liebst du mich nicht mehr?. Zu jeder dieser Nachrichten hatte sie fein säuberlich und akkurat Datum und Uhrzeit notiert. Es lagen nur Minuten zwischen den Nachrichten. Scheinbar waren nicht nur das Internet und Smartphones, sondern Handys ganz allgemein von der Erde getilgt worden und folglich auch SMS. Da klingelte mein Telefon, ja, mein Festnetztelefon, das völlig verstaubt in der hinterletzten Ecke seinen Lebensabend fristete. Ich wusste gar nicht, dass es noch funktionierte. Ich hob ab und mein Arbeitskollege rief aufgeregt: »Heute morgen habe ich mich auf dem Weg zur Arbeit gefragt, ob du mir Brötchen mitbringen könntest, aber du warst nicht da und von der Arbeit aus durfte ich nicht telefonieren. Jetzt bin ich wieder daheim und merke, dass meine Frage völlig überflüssig geworden ist« Er merkte, dass er nicht mehr viel ausrichten konnte und legte wortlos wieder auf. Meine Verwirrung wuchs. Als das Telefon erneut klingelte, beschloss ich aus der Wohnung zu flüchten und ließ die sich häufenden Zettel und das Bimmeln hinter mir.

Auf der Straße bemerkte ich, dass jedes Fenster und jede Türe offenstand. In den Häusern befanden sich Menschen unterschiedlichen Alters und ließen sich bei der Hausarbeit, dem Abwasch oder beim Umziehen beobachten. Eine Gruppe pickeliger Jugendlicher, die eine nur spärlich bekleidete Mitdreißigerin beäugten und mehr als nur unanständige Gedanken zu haben schienen ignorierte ich beflissentlich und eilte die Straße hinab. Die Stille war eigentlich ganz angenehm, kein Plingen und Piepsen und Vibrieren durchbrach die Stille. Dann allerdings schallte es aus einem der Fenster: »Ich schau mir jetzt GZSZ an!« und neben mir tönte es »Gefällt mir!«, gefolgt von »Ach du bist doch blöd!«, »Halts Maul!«, »Viel Spaß!« und noch einmal »Gefällt mir!« Verwirrt lief ich weiter und als ich um die Ecke bog, wurden weitere Rufe aus meiner Straße laut, Rufe wie »Montage sind echt beschissen« über »Hab meine Examensarbeit abgegeben« bis hin zu »Will jemand meine Schlange sehen?« (Nicht das, was ihr denkt, mein Nachbar sammelt Reptilien).

Wie ich also um die Ecke bog sah ich, dass sich dort tatsächlich auch einige Gestalten auf der Straße befanden. Sie riefen leiser und schienen weniger beachtet zu werden als die Brüller an ihren Fenstern, doch dafür liefen sie alle mit zahllosen Hula-Hoop-Reifen herum und bewarfen sich damit, immer wenn einer etwas sagte. Ich schnappte auf, dass sie diesen Vorgang Einkreisen nannten. Dann allerdings wurde es richtig abstrus und eine Brieftaube knallte mir schräg gegen den Schädel, piepte nur kurz und fiel tot zu Boden. Ich sah, dass eine Nachricht an ihrem Hals befestigt war und entrollte zaghaft das Stück Papier. Darauf stand Simon: Bin bei Burger King. Komisch dachte ich, als schon weitere Tauben heransausten und vor, über, neben und unter mir zu Tode kamen. Ich blickte noch auf einige Zettel, die kryptische Botschaften wie Angela Merkel #wtf oder Soll dieses Remake eigentlich witzig sein? enthielten. Schnell machte ich mich davon, während es aus einem der Fenster tönte »Schatz, ich liebe dich sooo sehr«, gefolgt von zahlreichen »Gefällt mir!«s, unterdes die seltsamen Gestalten auf der Straße sich weiter mit roten, gelben, blauen, grünen Reifen bewarfen und sich mehr und mehr ineinander verhedderten.

Der Schwarm Tauben allerdings folgte mir zielgerichtet wohin ich auch ging. Ich schnappte mir also einen türkisfarbenen Regenschirm von einem Schirmständer, auf dem – wie ich beim Aufklappen bemerkte – seltsamerweise der Schriftzug Kaspersky Anti-Spam prangte. Die Tauben hielt er trotzdem fern. So stapfte ich durch die Straßen, neben mir brüllte jemand »Meine Haare sind jetzt blond!«, die Tauben knallten auf den Schirm und starben, Blut floss den Schirm hinab und ich sah weitere Jungs vor offenen Fenstern onanieren. Einer der Hulla-Hoop-Reifen-Träger sprang mir in den Weg, schrie »Wollen wir Freunde sein?« und feuerte aus allen Rohren. Ich rannte mittlerweile. Dann stellten sich mir noch mehr Leute in den Weg, Leute mit alten Polaroid-Kameras um die Hälse baumelnd. Auch sie behelligten mich, riefen »Guck mal, Sonnuntergang, schön, nicht?!?« und »Hab ich selbst gemacht« oder »Bei mir gab es heute Nudeln« wie auch »Willst du mal sehen« und natürlich »Guck doch mal!«. Sie kamen näher und ich wusste, mit einem »Gefällt mir« war es hier nicht getan, nein, sie wollten mein Herz und ich rannte.

Unterwegs kam ich an dermaßen vielen Leuten vorbei, die Sachen fragten wie »Kann ich mit Cola Light abnehmen?« oder »Was bedeutet eigentlich Linguistik?« bis hin zu dem mehr fragmentarischen und hoffentlich nicht ganz ernst gemeinten »Dicke Möpse geile Schlampen«, was genau genommen nicht einmal eine wirkliche Frage darstellte, auch wenn der Mann aussah, als suche er verzweifelt eine Antwort. Dann tauchte ein Briefträger hinter mir auf, ein großes Schild mit der Aufschrift Hohe Priorität vor sich hertragend und ich wusste, dass ich verloren hätte, wenn er mich erst erreicht hätte. Weitere Rufe prasselten auf mich ein, ich wurde mit Hulla-Hoop-Reifen und Tauben beschmissen und mich quälte die unangemessene Freizügigkeit der anwesenden Passanten, der Briefträger kam näher und näher und selbst mein Kaspersky-Schirm schien nicht mehr lange standzuhalten. Taubenblut, Nachrichten, Reifen und Polaroids vermischten sich zu einem unappetitlichen Brei und ich schrie. Gerade als ich dachte, es sei um mich geschehen, schreckte ich aus dem Schlaf hoch.

Liebevoll vibrierte mein Smartphone und blinkte mit unterschiedlichen LEDs um mir zu symbolisieren, dass jemand einen meiner Tweets favorisiert und jemand anders mir eine Facebook-Nachricht hatte zukommen lassen. Ich sah, dass keine der WhatsApp-Nachrichten meiner Freundin unbeantwortet geblieben ist und ich schickte ihr ein Ich liebe dich auf ihre Facebook-Pinwand, was mir prompt einige Gefällt mir‘s einbrachte, lautlose. Erzählt ihr mir noch mal Geschichten wie es ohne Internet wäre! Von wegen ruhig oder besser, wer das noch mal behauptet, dem reiß ich aber den A*** auf. Wer will, kann davon dann gern auch Polaroids haben.